Warum deine Wahrnehmung mehr Einfluss hat, als du denkst
Kennst du das? Jemand kommt zu spät zum Meeting, du verdrehst innerlich die Augen und denkst: „Wieder typisch – unzuverlässig.“ Zack – Bewertung.
Doch was, wenn derjenige nur schnell seinem kranken Kind ein Kuscheltier bringen musste?
Beobachten: Die Kunst, die Welt neutral zu sehen
Beobachten heißt: Ich nehme wahr, was ist – ohne sofort zu interpretieren. Klingt einfach, ist aber eine echte Disziplin. Statt „Der Kollege ist faul“ könnte eine Beobachtung lauten:
„Der Kollege hat die letzten drei Aufgaben nicht bis zum vereinbarten Termin abgegeben.“
Klingt trocken? Vielleicht. Aber genau in dieser Nüchternheit steckt Klarheit – und die Chance, den nächsten Schritt bewusst zu gestalten, statt automatisch zu reagieren.
Bewerten: Schnell, menschlich – aber oft verkürzt
Bewertungen sind menschlich. Unser Gehirn liebt sie, weil sie Energie sparen. Einmal das Etikett „anstrengend“ auf eine Person geklebt, und schon müssen wir nicht mehr differenziert hinschauen.
Doch genau da liegt das Problem: Bewertungen sind keine Fakten. Sie sagen mehr über uns aus als über das Gegenüber.
Wenn ich jemanden als „respektlos“ bezeichne – was genau hat er oder sie getan, das mich zu dieser Einschätzung bringt?
Systemische Perspektive: Was meine Systemische Coachingausbildung mir beigebracht hat
In meiner systemischen Coaching Ausbildung war diese Unterscheidung zentral – und, ganz ehrlich, auch ein echter Mindfuck zu Beginn. Denn plötzlich merkte ich, wie oft ich bewerte, ohne es zu merken.
Was ich gelernt habe:
- Sprache formt Realität. Wenn ich beobachte statt zu bewerten, halte ich die Welt offen – für verschiedene Perspektiven, Lösungen, Entwicklung.
- Ich bin Teil des Systems. Meine Sicht ist nur eine Sicht. Indem ich Bewertungen als subjektiv erkenne, kann ich neugieriger werden: Was sieht der andere?
- Fragen statt Etiketten. „Was hat mich stören lassen?“ ist produktiver als: „Warum ist der so?“
Ein kleines Experiment für deinen Alltag
👉 Nimm dir heute eine Situation, in der du dich über jemanden geärgert hast.
Schritt 1: Schreib auf, was du gedacht hast. (z. B. „Der Kollege ist arrogant.“)
Schritt 2: Notiere, was genau passiert ist – ohne Interpretation. (z. B. „Er hat meinen Vorschlag in der Besprechung unterbrochen und gesagt, das sei unrealistisch.“)
Schritt 3: Frag dich: Was könnte noch dahinterstecken?
Fazit: Beobachten ist ein Muskel – und Coaching ein Trainingslager
Die Fähigkeit zu beobachten statt zu bewerten ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Meine Coachingausbildung war dabei das Fitnessstudio – mit Aha-Momenten, inneren Widerständen und echten Veränderungen.
Und das Beste: Es macht den Umgang mit anderen – und mit sich selbst – leichter, respektvoller und letztlich wirksamer.
Und du? Wann hast du zuletzt beobachtet statt bewertet – und was hat sich dadurch verändert?